Ist Freimaurerei ein Mysterium?
Freimaurerei zielt auf Selbsterkenntnis.
Die Freimaurerei ist eine Jahrhunderte alte Bruderschaft. Ihr Brauchtum geht auf die europäischen Dombauhütten des 16. Jahrhunderts zurück. Ihre heutige Form erlangte die Freimaurerei während des späten 18. Jahrhunderts in England, worauf sie sich in kurzer Zeit in der westlichen Welt ausbreitete. Freimaurerei zielt auf Selbsterkenntnis und darauf aufbauend auf die Weiterentwicklung und Veredlung der eigenen Persönlichkeit ab.
Freimaurerei zielt auf Selbsterkenntnis und darauf aufbauend auf die Weiterentwicklung und Veredlung der eigenen Persönlichkeit ab. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Toleranz gehören zum Wertekanon der Freimaurer, ebenso das Handeln nach Vernunft und Gewissen. Die Freimaurerei beruht im Wesentlichen auf drei Funktionen, die in dieser Kombination auch ausschließlich von ihr angeboten werden:
- Die soziale Funktion, Menschen über Standesgrenzen hinweg als Mitmenschen, als Brüder zusammenzuführen. Freimaurer bezeichnen sich gegenseitig als Brüder. Damit ist offensichtlich nicht eine biologische Bruderschaft gemeint, sondern die Erkenntnis, dass wir alle Geschöpfe eines Höchsten Wesens sind, das wir als Gott bezeichnen, und in einem größeren Zusammenhang zu wirken haben. Regelmäßiges Treffen über viele Jahre verstärkt diesen brüderlichen Zusammenhalt.
- Die ideologisch-geistesgeschichtliche Funktion, Menschen dazu aufzufordern, sich der eigenen Vernunft zu bedienen und sich am eigenen Gewissen zu orientieren.
- Die religiöse Funktion, Menschen auf durch ein auf alten Wurzeln beruhendes Symbolsystem eine optimistisch-positive Einstellung zu sich selbst, zum Kosmos und zur Transzendenz zu vermitteln. Die religiöse Funktion entfaltet sich durch die Auseinandersetzung mit den Ritualen und Symbolen. Religion ist hier wörtlich als ein sich „Zurückbeziehen“ auf höhere Prinzipien zu verstehen.
Das dreifache Angebot der Freimaurerei
Dieses dreifache Angebot ist nach wie vor aktuell wegen der gesellschaftlichen Umschichtungen, die wir beobachten, durch den Wandel vieler Werte und durch das Aufkommen neuer Bedrohungen der Menschheit und Menschlichkeit, sowohl in der Lebenswirklichkeit des einzelnen, als auch in der gesellschaftlichen und sogar globalen Dimension (Höhmann 2003).
Die Wirkungsweise der Freimaurerei befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen nicht rationalen und rationalen Funktionen. Idealerweise sollte sich jeder Bruder mit gleicher Intensität allen drei Funktionen widmen. Die Individualität der Brüder, die gewollt ist und in den Logen gefördert wird, führt aber dazu, dass jeder seine eigenen Schwerpunkte setzt und auslebt. Wichtig für die eigene Entwicklung ist nur, dass keine der Funktionen gänzlich vernachlässigt wird. So ist eine Freimaurerloge, die kleinste Organisationseinheit der Freimaurerei, eine Gemeinschaft von „Ungleichen“ und ein Ort der Begegnung, an dem die ethische Praxis geübt werden kann, mit Andersdenkenden von einander lernend und tolerant den Weg zur eigenen Vervollkommnung zu gehen.
Weiterlesen -> Symbole der Freimaurerei
Literaturverweise für den Artikel
- Höhmann H.-H.: Freimaurerei – Einübung in Lebenskultur. Humanität 29 (Jan./Febr. 2003), Herausgegeben von Herbert Bock im Auftrag der Großloge A.F.u.A.M.
- Höhmann H.-H.: Die Freimaurerei des „Drei-mal-drei“. TAU 38, Nr. I / 2012, Selbstverlag der Freimaurerischen Forschungsgesellschaft QUATUOR CORONATI, Bayreuth 2012
- Holdorf J. und K.-H. Lock: Stichwort Freimaurer. Wilhelm Heyne Verlag, München 1993
- Militz, Ph.: Freimaurerei in 60 Minuten. Thiele Verlag, München und Wien 2009